Der Clan des Sizilianers
Kaum ein mittelalterlicher Herrscher fasziniert bis heute so sehr wie Friedrich II.
Die angehende Mutter war mit fast 40 Jahren schon greisenhaft alt, und sie wollte von vornherein alle Zweifel daran zerstreuen, dass sie noch ein Kind gebären könne. So ließ sie angeblich auf dem Marktplatz von Jesi ein Zelt aufschlagen und brachte dort Weihnachten 1194 in aller Öffentlichkeit ihren ersten Sohn zur Welt. Sein Name Friedrich Roger war politisches Programm; er erinnerte an dessen Großväter Friedrich Barbarossa und Roger II. von Sizilien, denn der Knabe sollte das römisch-deutsche Imperium mit dem normannischen Königreich Sizilien vereinen.
Unter allen mittelalterlichen Herrschern fasziniert Friedrich II. so sehr wie sonst nur Karl der Große oder Barbarossa, und keiner polarisiert bis heute so sehr wie er. Den deutschen Nationalisten war der Sizilianer zu italienisch, den Frommen zu freigeistig, den Freigeistern zu despotisch, den Fundamentalisten zu tolerant. Der Historiker Jacob Burckhardt nannte ihn den „ersten modernen Menschen auf dem Thron“, Nietzsche pries seine „übermenschliche“ Genialität. Jede Epoche blickte auf ihn und erkannte in ihm sich selbst. Oder eben das, was sie nicht sein wollte.
In Oldenburg ist jetzt „Kaiser Friedrich II.“ zu sehen, die bislang größte Ausstellung, die sich in Deutschland je mit dem Staufer beschäftigt hat. Ausgestellt sind 180 teils hochkarätige Objekte von 96 Leihgebern; Urkunden und Schmuck, Gemmen und Skulpturen. Gesamtversicherungswert: 60 Millionen Euro. Das Auswärtige Amt unterstützt die Landesausstellung, weil diese einen „gemeinsamen Blick auf das kulturelle Erbe von Orient und Okzident“ werfe, wie Museumsdirektor Mamoun Fansa, selbst gebürtiger Syrer, sagt.Aus dem „Islamischen Museum Kuwait“ stammen kunstvolle Kästchen und ein Horn aus Elfenbein, geschaffen von arabischen Kunsthandwerkern um 1200 in den Werkstätten von Palermo. Sizilien, wo Friedrich aufwuchs, lag damals an der Schnittstelle mehrerer Kulturkreise, die sich gegenseitig durchdrangen. Muslime lebten hier ebenso wie Griechen oder Juden. Die Christen nutzten solche Gegenstände gerne als Reliquienbehältnisse, ebenso wie die sogenannten Hedwigsbecher, islamische Glasarbeiten, die in Oldenburg zu sehen sind und auch aus Sizilien stammen könnten. Einige Ornamente auf dem Krönungsmantel aus dem Besitz von Friedrichs Großvater Roger II. (ausgestellt ist eine Replik) entpuppen sich bei genauerem Hinsehen gar als arabische Segenswünsche. „Die Mehrheit seiner Vertrauten und Höflinge waren Muslime, in seinem Lager erscholl offen der Gebetsruf“, hielt der muslimische Autor Ibn Wasil 1261 erstaunt fest, elf Jahre nach Friedrichs Tod. Die Versuchung ist groß, Friedrich II. heute zum Patron des interreligiösen Dialogs zu erheben, zu einer Art Schirmherrn der christlich-islamischen Freundschaft. Moderne Historiker sehen in ihm jedoch eher einen durchaus christlichen Realpolitiker, der sich nur eben auf Diplomatie verstand.Im Jahr 1215 wurde er in Aachen zum römisch-deutschen König gekrönt, noch am selben Tag kündigte er einen Kreuzzug an. Er ließ sich jedoch mit dem Aufbruch mehr als zehn Jahre Zeit. Schließlich stellte der Papst ihm ein Ultimatum und drohte mit dem Bann. Als sich die Einschiffung wegen einer Seuche noch einmal verzögerte, machte Gregor IX. seine Drohung wahr. Friedrich musste kurioserweise als Exkommunizierter seinen Kreuzzug antreten. Dieser verlief vergleichsweise unblutig: Friedrich handelte mit Sultan al-Malik al-Kamil einen Vertrag aus; ein Teil Jerusalems kam unter christliche Herrschaft, ein Teil des Heiligen Landes unter muslimische.Eine besondere Rolle spielt in Oldenburg das von Friedrich II. verfasste „Falkenbuch“, das leider nur als Faksimile zu sehen ist. Dieses war nicht nur ein Lehrbuch für Falknerei; es warf einen grundlegend neuen Blick auf die Naturwissenschaften. Friedrich II. trieb Wissenschaft nicht, indem er, wie sonst üblich, bei antiken Autoren nachschlug, sondern empirisch, indem er die Vögel beobachtete und teils mit ihnen experimentierte. An seinem Hof schuf der Kaiser, ob seiner Wissbegier „Stupor mundi“ genannt, das „Staunen der Welt“, eine Art globales Kompetenzzentrum: Übersetzer übertrugen bedeutende antike Schriften, die nur im islamischen Raum überlebt hatten, ins Lateinische. Auch der Mathematiker Leonardo Fibonacci, der in Europa für die Verbreitung der Null und der arabischen Rechenweise sorgte, arbeitete für ihn. Architekturmodelle zeigen in Oldenburg Friedrichs beeindruckende Bauten, darunter das berühmte Castel del Monte, das auch italienische Ein-Cent-Münzen ziert.Friedrichs Verhältnis zur Kirche blieb bis zu seinem Tode gespannt, wobei es eher um höchst weltliche Streitigkeiten mit dem Papst ging. Als es in Fulda zu einem Pogrom kam – Juden sollten das Blut christlicher Kinder für ihre Rituale vergossen haben –, holte er Expertenrat bei konvertierten Juden ein und stellte schließlich eine Art Ehrenerklärung aus, in der er die Juden von „schweren Verleumdungen ganz und gar freisprach“. Diese Urkunde, die in Oldenburg zu sehen ist, zeigt Friedrich als Mann, der den Mut hatte, sich seines Verstandes zu bedienen. Man könnte beinahe sagen: Der kulturelle Wanderer zwischen den Welten war ein aufgeklärter Mann.
Bis 15. Juni im Landesmuseum Mensch und Natur Oldenburg. Infos: (04 41) 9 24 43 00.
Quelle: Oberhessische Presse
Friedrich II. (* 26. Dezember 1194 in Jesi bei Ancona; † 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino bei Lucera) aus dem Haus der Staufer war von 1220 bis zu seinem Tod römisch-deutscher Kaiser. Er war der Sohn Kaiser Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien.
Es ist fraglich, ob die Kaiserin ihren Sohn zunächst Konstantin nannte, wie einige Quellen behaupten. Bei seiner Taufe (Ende 1196 oder Anfang 1197) erhielt er die Namen seiner Großväter Friedrich Roger. Erstmals wurde er 1196 auf Wunsch seines Vaters Heinrichs VI. zum Rex Romanorum gewählt (siehe Erbreichsplan Heinrichs VI.). Die ungewöhnliche Wahl zum Kaiser im Jahre 1211 ebnete den Weg zu den Königskrönungen von 1212 und 1215. Seit dem Tode Kaiser Ottos IV. Welf im Jahr 1218 war er unangefochten, seit 1219 auch von den Welfen durch Übergabe der Reichsinsignien offiziell als König anerkannt.
Friedrich II., auch stupor mundi – das Erstaunen der Welt genannt, war hochgebildet und beherrschte mehrere Sprachen, angeblich unter anderem Italienisch, Französisch, Latein, Griechisch, Mittelhochdeutsch und Arabisch. Er gilt allgemein als ein „Wunderwesen“ unter den deutschen Herrschern des Mittelalters und wurde sogar als der „erste moderne Mensch auf dem Thron“ (Jacob Burckhardt) bezeichnet. Der Grund für diese Einschätzung war vor allem, dass er teilweise mit modern anmutenden Mitteln versuchte, das universale Kaisertum zu behaupten. Mit seinem Tod wird in der modernen Forschung der Beginn des so genannten Interregnums von 1250 bis 1273 angesetzt.
Quelle: Wikipedia
Sonntag, Februar 10, 2008
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10.2.08
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